73 Jahre Kampf gegen das Vergessen
Lara Weber
Am 8. Mai 1945 endete der zweite Weltkrieg. Gleich an diesem Tag begann aber auch ein anderer Kampf. Der gegen das Vergessen und für eine Welt, in der ein Menschheitsverbrechen wie der Holocaust nie wieder geschehen kann.
Denkt man daran, dass mit der AfD seit langem wieder eine völkisch-nationalistische Partei im Bundestag sitzt, rechte Trolle sich in Netzwerken wie „Reconquista Germania“ organisieren oder schaut auf eine Echo-Verleihung für einen antisemitischen, den Holocaust verharmlosenden Text, wird man feststellen müssen, dass dieser Kampf noch nicht vorbei ist. Wir als Jusos Göttingen wollen eine lebendige Erinnerungskultur, in der der Opfer des Naziregimes würdevoll gedacht wird und in der die Geschichte eine Lehre für Zukunft ist. Auf unsere Unterbezirkskonferenz im April haben wir deshalb unter anderem einen Antrag zur Aufarbeitung nationalsozialistischer Unternehmensgeschichten beschlossen.
Ein gutes Beispiel für eine solche Erinnerungskultur durften wir vor ein paar Wochen erleben. Im Rahmen des Arbeitskreis Arbeit, Wirtschaft und Soziales nahmen wir an einer Stadtführung zum Thema „Göttingen im Nationalsozialismus“ teil. Eine Historikerin führte uns durch die Innenstadt und zeigte uns, wie es 1933-1945 in der heute weltoffenen und quirligen Studentenstadt aussah: Ständige Naziaufmärsche an zu Propagandazwecken eingeführten Feiertagen. Jüdische Wissenschaftler*innen, die die Universität verlassen mussten. Überfälle auf jüdische Geschäfte. Bücherverbrennungen auf dem heutigen Albaniplatz. Ein rituelles jüdisches Bad, das nur versteckt in einem Wohnhaus existieren konnte.
Es schmerzt zu erfahren, dass es von manchen jüdischen Familien, die damals in Göttingen wohnten, keine Überlebenden gibt. Es schmerzt zu hören, dass der Göttinger Nobelpreisträger James Franck, selbst jüdischer Abstammung, gegen die Entlassung seiner Kolleg*innen protestierte und keine Unterstützung fand (mehr dazu hier). Die Geschichte ist eine von vielen.
Auch in Göttingen gab es eine Synagoge. Diese wurde in der Reichspogromnacht niedergebrannt. Heute steht dort ein Mahnmal.
Die Geschehnisse in der eigenen Stadt aufgezeigt zu bekommen, berührt tief und ist nicht leicht zu ertragen, aber es macht klar, warum wir Neonazis keinen Zentimeter Raum geben sollten. „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.“ Wir Jusos Göttingen nehmen Primo Levis Worte als Aufgabe und setzen für eine offene und tolerante Gesellschaft ein.